Leserbrief an die BNN

Veröffentlicht: Montag, 28. Februar 2022

Herr Voigt fragt, was angesichts des Überfalls auf die Ukraine kurzfristig noch zu tun sei. Das Rathaus könne die offiziellen Kontakte zur städtischen Verwaltung herunter dimmen, zumal „es mit dem Partnerschaftlichen und Völkerverbindenden in dieser eher formalen Städtepartnerschaft nie so arg weit her gewesen“ sei.

Sehr geehrter Herr Voigt, haben Sie vielleicht bei der Einschätzung der Intensität der partnerschaftlichen Beziehung zu Krasnodar nicht die journalistische Pflicht der gründlichen Recherche verletzt? Das befürchte ich, denn wenn Sie sich auch nur oberflächlich über diese Städtepartnerschaft informiert hätten, dann wären Sie nicht zu diesem Urteil gekommen. Diese Städtepartnerschaft besteht seit 30 Jahren und ist von Beginn an die aktivste der Karlsruher Partnerschaften. Ein Blick auf die Internetseiten der Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe-Krasnodar (www.krasnodar-karlsruhe.de), der Stadt Karlsruhe/Städtepartnerschaften sowie des Stadtjugendausschusses hätte Ihnen die Augen geöffnet.

Wir, die Freundschaftsgesellschaft, engagieren uns mit Unterstützung der Stadt seit 30 Jahren intensiv in 12 Arbeitsbereichen auf zivilgesellschaftlicher Ebene: 50 Hilfstransporte mit medizinischer Ausrüstung für Krankenhäuser bis 2012, Austausch von Ärzten und Pflegepersonal, jährliche Bürgerreisen nach Krasnodar mit jeweils ca. 15 Personen, Begründung und Organisation von Schüler- und Studentenaustausch, von Schulpartnerschaften, von Jugend-, Kammer- und Folklorekonzerten, Vermittlung von Praktika für russische Studierende bei Unternehmen in Karlsruhe und für Studierende aus Karlsruhe bei internationalen Unternehmen in Krasnodar, Initiierung von Hochschulpartnerschaften, aktive Teilnahme an internationalen Workshops zur Weiterentwicklung von Städtepartnerschaften, Begleitung von jährlichen gegenseitigen Delegationsreisen zu Stadtgeburtstagen, Einrichtung eines Kulturforums mit aktuellen Berichten aus der Partnerstadt, Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte aus der Kuban-Region, gemeinsame Sportwettkämpfe (Fußball, Ringen, Judo, Schach, Volleyball, Basketball …) Organisation von Ausstellungen und russischen Filmtagen, von Messen und Ausstellungen, von Bildungskongressen, Betreuung von Gästen aus Krasnodar, Gründung der Europäischen Business Schule an der Staatlichen Kuban-Universität, Hilfe beim Aufbau des Regionalen Deutschen Ausbildungszentrums - RDAZ.ru - Fortbildungskurse für russische Köche und Gastronomen zur Vorbereitung der Olympischen Winterspiele 2014 und der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Sotschi und vieles mehr und nicht zuletzt die Förderung von Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Partnerstädten.

Mit den ersten Kontakten vor über 30 Jahren wurden Bürgerinnen und Bürger aus Karlsruhe, die Fremden aus Deutschland, wider Erwarten mit großer Freude und Gastfreundschaft aufgenommen, auch von Familien, die nicht zu den ca. 100.000 Deutsch sprechenden Menschen in Krasnodar gehören. Völkerverbindung? Wo wohnen die Gäste aus Krasnodar während ihres Aufenthaltes in Karlsruhe, die Schülerinnen und Schüler, die Orchestermitglieder, die Jugendlichen der Tanzgruppen, die Lehrkräfte während ihrer Fortbildungskurse an Karlsruher Schulen, die Sportlerinnen und Sportler? In deutschen Familien, die die erfahrene Gastfreundschaft erwidern möchten, in Familien, für die Völkerverbindung ein wichtiges Element in der Erhaltung des Friedens ist.

Städtepartnerschaften erfüllen diese Aufgabe der Völkerverbindung, die Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe-Krasnodar e. V. füllt diese Aufgabe mit Herzblut und Leben und wurde mehrfach ausgezeichnet und prämiert. Dem Auswärtigen Amt sind wir wohl bekannt, unsere gemeinsamen Projekte mit der Staatlichen Kuban-Universität im Bereich Interkulturalität und Sprachvermittlung wurden vom AA finanziell im fünfstelligen Bereich gefördert.

Was ist kurzfristig noch zu tun? Gerade jetzt ist es wichtig, auf der bewährten Ebene die zahlreichen freundschaftlichen Beziehungen gemeinsam mit der Stadtverwaltung zu bekräftigen, zu viertiefen, auszuweiten. Wir wissen, dass unsere Gesprächspartner Teil des Systems sind, aber das sind wir auch, vor allem waren wir das mal, in einer Zeit, die wir nie wieder erleben möchten. Daran arbeiten wir, zusammen mit über 100 deutsch-russischen Städtepartnerschaften. Wir laden das Redaktionsteam der BNN ein, uns näher kennen zu lernen. Und über unsere Arbeit gründlicher zu berichten.

Dieser Krieg hat uns alle kalt getroffen. Aber die Freundschaft zwischen den Personen aus Karlsruhe und Krasnodar muss und wird gerade jetzt ihre Stärke beweisen und bestehen. Auch in Russland gibt es in vielen Kreisen Proteste gegen diesen Krieg.

Im Namen des Vorstandes:

Manfred Czychi

Vorsitzender der Freundschaftsgesellschaft Karlsruhe-Krasnodar e. V.

www.krasnodar-karlsruhe.de

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